Arachnologische Mitteilungen 56

Arachnologische Mitteilungen / Arachnology Letters 56: 45-47 Karlsruhe, September 2018 Cheiracanthium mildei L. Koch, 1864, wozu das hier beschrie­ bene adulte Weibchen zählt, ist eine Art, die für Deutschland im Gegensatz zu Cheiracanthium punctorium (Villers, 1789) noch nicht allzu lange bekannt ist (Knoflach & Horak 2010, Schmitt & Malten 2007). Früher mediterran verbreitet, hat Cheiracanthium mildei mittlerweile das europäische Are­ al deutlich nach Norden ausgeweitet und inzwischen selbst Amerika besiedelt. Muster et al. (2008) und Zimmermann (2015) gehen ausführlich auf diese Thematik ein. Für Thürin­ gen ist es ein Erstnachweis dieser optisch eher unauffälligen Art. Dies vermutete schon Martin (in litt.), der die vom Biss­ opfer sichergestellte Spinne auch bestimmte. Der Fundort liegt in der bisher recht breiten Lücke zwischen den bereits etablierten Nachweisen von Südwestdeutschland und den jüngeren von Leipzig und Berlin. Außer für Weimar (TK 25 Nr. 5033) sind Nachweise in den neuen Bundesländern ansonsten nur aus den genannten Städten bekannt (Arach­ nologische Gesellschaft 2018). Die lange zu den Clubionidae und einige Zeit zu den Miturgidae zählende Gattung Chei- racanthium steht seit 2014 in der Familie Eutichuridae. Sie umfasst mittlerweile 212 akzeptierte Arten (World Spider Catalog 2018). Begegnungen mit Spinnen sind zumindest in Mitteleu­ ropa für Menschen meist harmlos, sie werden aber seit je­ her trotzdem aufmerksam, meist mit Abscheu, registriert. Kommt es gar zu Bissen, zuweilen nur zu vermuteten, so ist öffentliches Interesse die Regel, das Ereignis wird in den Me­ dien verbreitet. Um das Jahr 2006 erfasste eine Aufregung zu Dornfingerbissen bei Menschen, Synonym Cheiracanthis­ mus, fast ganz Mitteleuropa. Sie ist noch heute in Erinnerung, zumal Bisse von Cheiracanthium -Arten durchaus medizinisch bedeutsam sind. Mittlerweile sind Meldungen in den Tages­ medien seltener (Thieme 2016) und zur Thematik auch eine ganze Reihe seriöser Veröffentlichungen erschienen (Foradori et al. 2005, Knoflach 2009, Knoflach & Horak 2010, Muster et al. 2008, Nentwig et al. 2013, Schmitt &Malten 2007, Vet­ ter et al. 2006, Zimmermann 2015).Trotzdem ist hinsichtlich der Symptomatik noch vieles unklar. Nentwig et al. (2013) merken an, dass in der Mehrzahl der Bissfälle weder Patient noch Arzt in der Lage sind, eine Spinne zu unterscheiden, weder von anderen Arthropoden noch gar Arten unterein­ ander. Die offenbar ohnehin seltenen Spinnenbisse erweisen sich beim Hinzuziehen von Experten häufig als zweifelhaft. Die Autoren nennen drei Kriterien, welche derzeit für einen „verified spider bite“ international anerkannt sind: 1. Der Spinnenbiss muss beobachtet worden sein. 2. Die Spinne muss während oder unmittelbar nach dem Biss gefangen und zur Bestimmung einem Spezialisten überge­ ben werden. 3. Der Biss muss Symptome, die gewöhnlich Spinnenbissen zugeschrieben werden, wie Schmerz oder Unwohlsein, hervorrufen. Die Zahl derart dokumentierter Fälle ist auch in unserer Region überschaubar. Deshalb soll hier ein Fall beschrieben werden, bei dem die genannten Kriterien erfüllt sind. Bisshergang Der Biss ereignete sich am 11. Juni 2013, 23.45 Uhr, un­ weit des Stadtzentrums von Weimar/Thüringen (50°59‘N, 11°25‘E) in einem Hausgarten. Gebissen wurde eine männli­ che Person mittleren Alters. Nach Beschreibung des Bissop­ fers stellte sich der Hergang wie folgt dar: "Die Spinne saß wahrscheinlich in den herabhängenden Ästen eines ca. 4–5 m hohen Forsythia -Strauches ( Forsythia spec.), der neben dem Garteneingang steht. Beim Öffnen der Zauntür streifte ich kurz mit dem Kopf einen herabhängen­ den Zweig. Sofort danach verspürte ich mindestens 5–7 Bisse im Kragen- und Nackenbereich, schwerpunktmäßig rechts. Aus dem ersten, unten im Kragen bzw. direkt über dem T- Shirt-Kragenrand (unter der Kapuzen-Trainingsjacke), ent­ wickelte sich die größte Bissstelle. Allerdings kann ich nur vermuten, dass die Spinne in dem Forsythia -Zweig saß, von dem sie wohl dann in meinen Kragen bzw. in die Kapuze mei­ ner Trainingsjacke gefallen sein muss. Die Jacke hing zuvor, während eines Trainings, im Umkleideraum einer Sporthalle. Die Heimfahrt mit dem Fahrrad von dort erfolgte unmittel­ bar danach. Außer dem betreffenden Forsythia -Strauch gibt es im Garten um eine kleine Rasenfläche noch zwei große Holunderbäume und eine westseitige flächige Nachbarwand­ begrünung mit Efeu ( Hedera helix ) und Wildem Wein ( Par- Erstnachweis von Milde's Dornfinger, Cheiracanthiummildei (Araneae: Eutichuridae), in Thüringen sowie Beschreibung eines Bissereignisses Reiner Drogla doi: 10.30963/aramit5608 Abstract. First record of the yellow sac spider Cheiracanthium mildei (Araneae: Eutichuridae) for Thuringia and report of a bite event. Until now Cheiracanthium mildei L. Koch, 1864 was recorded only from two sites in the eastern part of Germany. Bites of this species are of medical significance, but our knowledge of their effects on humans is often poor. The present paper describes the bite symptoms. Keywords: area expansion, dispersal, envenomation, invasive species, spider hysteria, venomous spiders, yellow sac spiders Zusammenfassung. Bisher waren von Cheiracanthium mildei L. Koch, 1864, im östlichen Teil Deutschlands nur Vorkommen aus zwei Städten bekannt. Der vorliegende Fund bedeutet den Erstnachweis für Thüringen. Gleichzeitig wird ein damit zusammenhängendes Bissereignis beschrieben. Obwohl in den letzten Jahren eine Reihe seriöser Publikationen zu Cheiracanthium -Bissen erschienen, besteht längst keine abschließende Klarheit über deren Wirkung beim Menschen. Reiner DROGLA, Tröbigau, Putzkauer Straße 30, 01877 Schmölln-Putzkau, Germany; E-Mail: dasdaechsle@aol.de eingereicht 5.6.2018, angenommen 27.11.2018, online 6.12.2018

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