Arachnologische Mitteilungen 56

46 R. Drogla thenocissus spec.). Besonders warm ist es im oberen besonnten Bereich. Zwischenzeitlich ist mir jedoch in diesem Garten keine Dornfinger-Spinne mehr aufgefallen.“ Ein verwertba­ res Foto gibt es leider nicht. Bissfolgen Als Bissfolgen werden nachstehende Symptome/Auswirkun­ gen beschrieben: "1. Sehr starkes Brennen, vergleichbar mit einem Wespen­ stich bzw. intensivem Brennnesselkontakt, verbunden mit Gänsehaut und Schüttelfrost (ohne Frieren). 2. Das Brennen ließ nach ca. einer viertel bis halben Stunde langsam nach, es stellte sich zunehmendes Taubheitsge­ fühl auf der Zungenoberseite ein. Ebenso erschien leich­ tes Kribbeln in Armen und Händen, später in geringerem Umfang auch in den Füßen. 3. Danach immer wieder Gänsehaut- und Schüttelfrost- Attacken in periodischen Abständen; auch ganz unter­ schwellig leichtes Druckgefühl auf der linken Brusthälfte, das am Folgetag nachließ. 4. Nach ca. 1 Stunde zunehmende (bzw. dann erst bewusst wahrgenommene) Erwärmung der Hände und ganz leich­ tes Armkribbeln (punktuell auch an Füßen bzw. anderen Stellen). 5. Ca. eineinhalb bis zwei Stunden nach den Bissen Verab­ reichung einer Tetanus-Schutzimpfung in den rechten Oberarm. 6. Lokale Biss-Schmerzen ließen dann immer mehr nach, so dass nach ca. 4–5 Stunden auch phasenweises Schlafen möglich war. 7. Gänsehaut- und Schüttelfrostattacken traten gelegentlich noch über den ganzen zweiten, am dritten Tag dann in abgeschwächter Form auf. 8. Allerdings traten neben weißfleckiger Nackenrötung in der Biss-Zone auch punktuell ganz leichte fleckige Rö­ tungen (allergische Reaktionen?) an den Händen auf, insbesondere an den Handtelleraußenrändern. Nach wie vor Kribbeln und Taubheitswahrnehmungen an der Zun­ genoberseite. Gelegentliches, bisweilen etwas zunehmen­ des Gelenkschmerzempfinden (beidseitig an Schultern, Ellenbogen und Knien, rechtsseitig an Hüfte und Fuß, linker Fußballen bis in den großen Zeh). Leichtes Ziehen in rechter, bissseitiger, Nackenhälfte. 9. Am auffälligsten erschien, dass nach zwei Tagen Zungen­ kribbeln und leichte Ellenbogengelenkschmerzen immer noch deutlich zu spüren waren.“ Verschiedene Symptome klangen erst nach drei Tagen ab. Die Schwellung an der ersten Biss-Stelle und die weißfle­ ckigen Rötungen im rechten Nacken waren auch nach einem Monat noch sichtbar. Außer der Tetanusspritze erfolgten kei­ ne weiteren Therapien. Diskussion Arealerweiterungen von Tieren, auch von Spinnen, in kühle­ re Regionen (bei uns nach Norden bzw. in höhere geografi­ sche Lagen) werden oft der aktuellen Klimaerwärmung zu­ geschrieben. Für thermophile und bisher südlich verbreitete Spezies ist diese Ursache zu vermuten, insbesondere, wenn die Ausbreitung entlang wärmebegünstigter Korridore er­ folgt (Zimmermann 2015). Auch spricht dafür, dass solche Arten sich zuerst in wärmebegünstigten Habitaten – z. B. in Großstädten und Gebäuden – ansiedeln. Inwieweit wirklich ein kausaler Zusammenhang besteht oder andere Faktoren (Verschleppung, Habitatveränderungen, mangelnde Kennt­ nis der genauen Verbreitung u. a.) überwiegen, lässt sich nicht immer leicht entscheiden (Lemke 2018, Muster et al. 2008, Schmitt &Malten 2007, Zimmermann 2015). Auch C. mildei wurde bisher hauptsächlich in oder nahe von Wohngebäuden gemeldet. Wie nicht nur der vorliegende Fall beweist, ist na­ türlich hier auch die Begegnung mit Menschen häufiger und intensiver (Knoflach 2009, Muster et al. 2008, Zimmermann 2015). Die Art wird für Mitteleuropa vorwiegend als (hemi) synanthrop beschrieben (Knoflach & Horak 2010, Muster et al. 2008, Schmitt & Malten 2007, Zimmermann 2015). Wo das hier besprochenen Individuum sich vor dem Beißen aufhielt, Gebäudeinneres oder Baum, muss leider ungeklärt bleiben. Cheiracanthium mildei wird, wie auch C. punctorium, all­ gemein als aggressiv beschrieben, die Tiere beißen zuweilen auch scheinbar ohne Anlass (Muster et al. 2008, Schmitt & Malten 2007, Zimmermann 2015). Bei dem von Schmitt & Malten (2007) geschilderten Biss einer Frau im Landkreis Heilbronn/Neckar durch C. mildei hatte sich die Spinne für 15 Sekunden in den großen Zeh verbissen. Muster et al. (2008) verweisen auf umfängliche Publika­ tionen zur Giftwirkung, die von C. mildei ausgeht, schwer­ punktmäßig jedoch Nordamerika betreffen. Nentwig et al. (2013) realisierten eine zweijährige Studie über Spinnenbisse, da bis dahin keine zusammenfassende Übersicht für Europa existierte. Es verwunderte, dass, obwohl viele der 4500 Spin­ nenarten durch die menschliche Haut beißen können, Spin­ nenbisse allgemein als harmlos für Menschen gelten. Die Fachliteratur beschränkte sich häufig auf das Zitieren histo­ rischer Quellen, konkrete artbezogene und modernen Stan­ dards genügende Einschätzungen fehlten. Einbezogen wur­ den in diese Studie 14 Bissfälle, die von Schweizer Notärzten dokumentiert und bei denen Arachnologen das zugehörige Tier determiniert hatten. Als Verursacher gab es fünf Arten, davon vier Fälle mit Cheiracanthium punctorium, C. mildei war nicht vertreten. Alle Bisse, vorwiegend von synanthrop lebenden Arten, verursachten nur relativ milde Symptome, bestehend in meist lokalem (mäßigen bis starken) Schmerz, Rötung und Schwellung. Selten traten systemische Wirkun­ gen auf. Beschwerden verschwanden spätestens nach einigen Stunden, immer kam es zu vollständiger Genesung ohne Fol­ geschäden. Für die Schweiz lässt sich grob eine jährliche Rate von 10–100 Bissen pro eine Million Einwohner abschätzen, eine gewisse Dunkelziffer wird vermutet. Die Autoren prog­ nostizieren eine Erhöhung dieser Rate durch Einwanderung fremder Arten. Wesentlich erschwert wird die Beurteilung der Sachlage weiterhin durch folgende Fakten: Spinnen geben nicht mit je­ dem Biss Gift ab. Die jeweilige Menge wird von demTier der Situation angepasst, außerdem variiert der Gehalt einzelner toxischer Komponenten. Auch sind Tierversuche aufgrund unterschiedlicher Empfindlichkeiten gegenüber den Giften kaum auf den Menschen übertragbar. Schließlich spielen die Bissstelle sowie Geschlecht, Alter und Verfassung der jeweili­ gen Person eine Rolle. Diagnosen sind deshalb selbst mit vor­ liegender verursachender Spinne prinzipiell schwierig, ebenso die Prognose des weiteren Beschwerdeverlaufs (Knoflach & Horak 2010).

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