Arachnologische Mitteilungen 58
Arachnologische Mitteilungen / Arachnology Letters 58: 52-61 Karlsruhe, September 2019 Spinnen der Trockenrasen in und um Berlin – Vielfalt, Verbreitung und Gefährdung Maria Möller, Theo Blick & Sascha Buchholz doi: 10.30963/aramit5810 Abstract . Spiders of dry grasslands in and around Berlin – diversity, distribution and endangerment. Cities can support biodiversi- ty conservation as they often provide valuable secondary habitats for animals, and in particular invertebrates. In this context, Berlin – as a green capital – has a great potential and thus biodiversity surveys are mandatory to increase data availability. Urban dry grasslands are known to be especially diverse, but to date only incompletely investigated. Here we present the first comprehensive species list for dry grassland spiders in Berlin and adjacent federal state of Brandenburg. A total of 52 sites were sampled in 2017 and pitfall trapping yielded 194 species from 18581 individuals. We found 33 species that are endangered in Berlin and nine of them were considered to be extinct. Our record also included 18 threatened species for Brandenburg. Talavera aperta was recorded in Berlin for the first time and Metapanamomops kaestneri as well as Sibianor tantulus are very rare across Germany. Our findings highlight the enormous potential of cities for regional and nationwide biodiversity conservation. Keywords : Araneae, biodiversity, distribution, dry grassland, spiders, threatened species, urban ecology Zusammenfassung. Städte können zum Erhalt der Biodiversität beitragen, da sie oft wertvolle Ersatzlebensräume für Tiere und insbeson- dere Invertebraten bieten. In diesem Zusammenhang hat Berlin - als grüne Hauptstadt - ein großes Potenzial, so dass Biodiversitätserhe- bungen zur Erhöhung der Datenverfügbarkeit zwingend erforderlich sind. Vor allem städtische Trockenrasen können eine hohe Diversität aufweisen, wurden aber bisher nur sporadisch untersucht. Die vorliegende Studie gibt eine erste umfassende Artenliste für Spinnen in Trockenrasen Berlins und dem angrenzenden Brandenburg. Insgesamt wurden im Jahre 2017 mittels Bodenfallen 52 Standorte befangen. Die Untersuchung erbrachte 194 Arten aus 18581 Individuen. Von den 194 Arten sind 33 Arten in Berlin gefährdet, von diesen gelten neun Arten als ausgestorben. Weiterhin konnten 18 Arten mit einemGefährdungsstatus in Brandenburg nachgewiesen werden. Talavera aperta wurde erstmals in Berlin erfasst und Metapanamomops kaestneri sowie Sibianor tantulus sind bundesweit sehr selten. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Städte ein enormes Potenzial für den regionalen und landesweiten Biodiversitätsschutz haben können. In Städten entstanden und entstehen Sandtrockenrasen zu- meist durch menschliche Nutzung, so zum Beispiel in der Folge von Stilllegungen nicht mehr benötigter Verkehrs- und Industrieflächen, durch temporäre Baumaßnahmen und der damit verbundenen Einrichtung von Lagerflächen oder letzt- endlich auch durch militärische Nutzung (Sukopp & Wittig 1998, Langner & Endlicher 2007). Diese anthropogen ge- schaffenen Lebensräume haben sich immer mehr zu einem Rückzugsraum für seltene, gefährdete und zum Teil hoch spezialisierte Pflanzen- und Tierarten entwickelt (Venn et al. 2013, Melliger & Rusterholz 2017), was im Ansatz auch für Berlin belegt werden konnte (u.a. Esser & Kielhorn 2005, Czaja et al. 2013, Buchholz & Czaja 2014, Kielhorn & Kiel- horn 2014). Urbane Trockenrasen können somit einen wich- tigen Beitrag für den Arten- und somit Biodiversitätsschutz leisten (Tewksbury et al. 2002, Kůrka et al. 2007, Kowarik 2011, Ives et al. 2016). Um diesen Beitrag quantifizieren und bewerten zu können, damit im weiteren Verlauf auch Sze- narien für die Entwicklung von Artvorkommen entworfen werden können, bedarf es einer umfassenden Datengrund- lage, die nur durch Status-quo-Erfassungen und regelmäßi- ges Monitoring zu gewährleisten ist. Diese Daten sind auch für die Fortschreibung von Roten Listen, die Beurteilung des derzeitigen Erhaltungszustandes – vor allem der Natur- schutzgebiete – und zur Kontrolle von Managementmaß- nahmen unerlässlich. Auch können erfolgreiche Pflege- und Entwicklungspläne nur auf der Basis einer aktuellen und um- fassenden Datenbasis entworfen werden. Insbesondere aus faunistischer Sicht ist die Datengrund- lage für urbane Trockenrasen Berlins als sehr lückenhaft zu bezeichnen. Für Spinnen liegen bis dato nur die Arbeiten von Platen et al. (1991), Czaja et al. (2013), Buchholz & Czaja (2014), Kielhorn & Kielhorn (2014) und Schäfer (2015 – Fundmeldung einer einzelnen Art) vor. Die vorliegende Stu- die umfasst daher erstmalig eine repräsentative arachnologi- sche Erfassung der Trockenrasen im Berliner Stadtgebiet und im nahen Brandenburger Umland. Das Ziel dieser Arbeit ist eine kommentierte Artenliste mit einer Diskussion der für den Untersuchungsraum faunistisch interessanten Arten. Material und Methoden Untersuchungsgebiet Die Studie wurde in Berlin und dem angrenzenden Branden- burg, im Nordosten von Deutschland, durchgeführt. Das Kli- ma in dieser Region ist gemäßigt mit einer jährlichen Durch- schnittstemperatur von 9,1 °C und einer durchschnittlichen Niederschlagsmenge von 570 mm (climate-data.org 2018, Messzeitraum: 1982–2012). Im Jahr 2017 gab es jedoch über- durchschnittlich hohe Niederschlagsmengen von 721,4 mm mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 9,9 °C (DWD 2017: Mittelwerte für die einzelnen Bundesländer und Gesamtdeutschland).Mit 3,6 Millionen Einwohnern auf einer Fläche von 891 km² (Amt für Statistik Berlin-Branden- burg 2016) ist Berlin Deutschlands bevölkerungsreichste und größte Stadt. Im Vergleich zu anderen Metropolen ist Berlin mit 48 % bebautem Gebiet, 18 %Wald, 6 % Parks und Grün- flächen sowie ca. 6 % weitere unbebaute Flächen als grüne Stadt zu bezeichnen (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin 2015). Zudem führte die bewegte Ge- schichte der Stadt zu einer abwechslungsreichen städtischen Struktur mit urbaner Wildnis auf ehemals genutzten Flächen (z.B. Gleisanlagen, Verkehrsflächen). Die Erfassungen erfolgten auf 52 Sandtrockenrasen in Berlin (47) und im angrenzenden Brandenburg (5) (Abb. 1, Maria Möller, Landesamt für Umwelt Brandenburg, Postfach 601061, 14410 Potsdam, Deutschland; E-Mail: maria.moeller@lfu.brandenburg.de Theo BLICK, Heidloh 8, 95503 Hummeltal, Deutschland; E-mail: info@theoblick.de Sascha Buchholz, Technische Universität Berlin, Institut für Ökologie, Rothenburgstr. 12, 12165 Berlin, Deutschland; E-mail: sascha.buchholz@tu-berlin.de & Berlin-Brandenburgisches Institut für Biodiversitätsforschung (BBIB), Altensteinstr. 34, 14195 Berlin, Deutschland eingereicht 20.5.2019, angenommen 14.8.2019, online 13.9.2019
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