Arachnologische Mitteilungen 58

80 H. Höfer, F. Meyer, T. Bauer, S. Bayer, I. Harry & L. Kastner Bedeutung der Blockhalden im Schwarzwald Unsere Funde im Nordschwarzwald bestätigen eindrücklich die von Molenda & Gude (2000) beschriebene Sonderstel- lung und Bedeutung der Blockhalden mit „air-conditioning“ Effekten als Biotop für viele Arten, die in der Literatur und in Datenbanken (bis heute) als selten bis extrem selten gelten. Besonders spannend ist der Fund von Pardosa nigra in zwei Blockhalden im Nationalpark Schwarzwald, einer Art, die bisher als Endemit des alpinen Gebirgssystems galt (Thaler & Buchar 1996). Zumindest in den zentralen Italienischen Alpen scheint sie an aktive Felsgletscher gebunden, eine Pe- riglazial-Landform, die durch interstitielles Eis und Eiskerne unter groben Felsblöcken (Permafrost) kälteadaptierten Ar- ten ein Refugium bietet (Gobbi et al. 2017, Tampucci et al 2017). Damit vergleichbar sind die unterkühlten Blockhalden der Ostalpen (Brunner et al. 2013) sowie die als Kalt- oder Eislöcher bezeichneten Permafroststellen in und außerhalb der Alpen (z.B. die Eislöcher im Zastlertal und Eiskerne in Blockhalden, vgl. Molenda 1996). Da unter kontinentalem Klima die Baumgrenze steigt, während die Höhe, auf der ak- tive Felsgletscher vorkommen, sinkt, treten solche außeror- dentlichen Permafroststellen in trocken-kontinentalen Berg- ketten (z.B. in Nordamerika) (Millar et al. 2013), aber auch in europäischen Mittelgebirgen und den Alpen unterhalb der Baumgrenze auf. Sie sind in allen Regionen als Refugien für kälte-adaptierte Arten in Warmzeiten von besonderer Be- deutung. Das Vorkommen von Pardosa nigra an gletscherfer- nen Stellen, wie in den Blockhalden in Mittelgebirgslage im Nordschwarzwald kann durch das Vorhandensein von spora- disch auftretenden, kleinräumigen Permafrostzonen (Grund- eis) in Blockhalden erklärt werden, die ähnliche Bedingungen wie im Hochgebirge schaffen und eine entsprechend ähnliche Arthropodenfauna beherbergen (Gude et al. 2003, Zacharda et al. 2007, Brunner et al. 2013). Die Beschränkung dieser Art der Wolfspinnen, die ja mit Bodenfallen durch ihre hohe Aktivität sehr zuverlässig erfasst werden, auf zwei Halden im Nordschwarzwald könnte darauf hinweisen, dass nur in diesen Permafrost-Verhältnisse in der Tiefe (noch) gegeben sind. Dafür gibt es durchaus Hinweise: die Fundstelle in AS 2 ist wahrscheinlich eine der wenigen, unverändert erhaltenen Blockhaldenstellen innerhalb des größeren Haldenkomplexes am Altsteigerskopf, mit relativ großen, sehr lückig liegenden Blöcken, was eine über längere Zeit vollständige Schneebe- deckung verhindern könnte und dadurch einen Kaltluft-Ein- und Warmluft-Austritt im Winter ermöglicht (vgl. Gude et al. 2003, Tampucci et al. 2017). AS 1 präsentiert sich ganz ähnlich, ist aber wohl durch die umgebenden Straßen stark gestört, während AS 3 wahrscheinlich erst vor wenigen Jah- ren durch Sturmwurf wieder baumfrei wurde und insgesamt eine stärkere Dynamik aufweist. Die Halde am Melkereikopf ist zwar mehrfach von Waldwegen durchschnitten, insgesamt aber groß und am Fundort von P. nigra aus großen Blöcken aufgebaut.Tiefe Lücken und das Gurgeln fließendenWassers in der Tiefe weisen auf tiefe Hohlräume hin. Die systematische Untersuchung der Blockhalden hat zum einen zu Nachweisen von Arten geführt, die tatsäch- lich auf den Lebensraum Blockhalde beschränkt sind. Einige dieser Arten mit nachgewiesener disjunkter (alpin-Mittelge- birgs- oder arkto-alpiner) Verteilung bei ausreichender Are- alkenntnis können als eiszeitliche (Periglazial-)Relikte ange- sehen werden ( C. alpicola, A. norvegica sudetica, P. nigra ), die Abb. 34: Theridion betteni ; a. typisches Netz zwischen großen Sandstein- blöcken am Melkereikopf; b. Weibchen mit Eikokon Fig. 34: Theridion betteni ; a. typical web between large sandstone blocks at Melkereikopf; b. female with egg-sac

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