ARACHNOLOGISCHE GESELLSCHAFT

Spinne des Jahres 2014

Die Gemeine Baldachinspinne Linyphia triangularis (Clerck 1757)

gehört zur Familie der Baldachinspinnen (Linyphiidae). Diese Familie stellt weltweit nach den Springspinnen (Salticidae) die meisten Arten, nämlich 4.461. In Europa bilden die Baldachinspinnen mit 1.248 Arten sogar die artenreichste Familie; in Mitteleuropa kommen 493 Arten vor. Fast alle Baldachinspinnen-Arten bauen – wie der Name schon sagt – baldachinartige Deckennetze.

Text: Christoph Hörweg

Beschreibung

Die Gemeine Baldachinspinne selbst ist im Gegensatz zu vielen anderen Vertretern ihrer Familie aufgrund ihrer Größe und ihrer auffälligen Zeichnung auf dem Vorderkörper einigermaßen leicht zu identifizieren. Sie ist die mit Abstand häufigste Baldachinspinne in Mitteleuropa.

Die Körperlänge beträgt bei beiden Geschlechtern etwa 5-7 mm. Der Vorderkörper ist beigebraun und schwarzbraun gerandet mit einem schwarzen Mittelband, das sich etwa in der Mitte des Vorderkörpers nach vorn teilt. Diese Zeichnung erinnert an eine Stimmgabel. Der Hinterkörper ist gelblich-weiß mit einem breiten braunen, dunkel gerandeten Mittelband, das mehrfach eingeschnürt ist, wodurch manchmal typische dreieckige Flecken zu sehen sind. Seitlich sind ebenfalls braune Bänder und Flecken sichtbar, die Unterseite ist dunkelbraun bis schwarz. Die Beine sind einfarbig beigebraun. Die Männchen unterscheiden sich von den Weibchen durch einen deutlich schmaleren Hinterkörper und vergrößerte Chelizeren. Auch geht die Färbung mehr ins rotbraune.

Verwechslungsmöglichkeiten sind v.a. mit Linyphia tenuipalpis gegeben, die eine Spur kleiner ist und auch warme Lebensräume bevorzugt. Desweiteren sind die erwachsenen Tiere schon etwas früher, von Juni bis Oktober, zu finden. In Zweifelsfällen ist eine genaue Differenzierung nur durch eine mikroskopische Untersuchung der Geschlechtsorgane möglich.

Verbreitung

Linyphia triangularis besiedelt große Teile der Paläarktis, ihr Verbreitungsgebiet umfasst damit gemäßigte bis subtropische Zonen. Sie kommt außer auf Island in ganz Europa vor, ihre Höhenverbreitung reicht von der Ebene und Hügellagen bis hinauf in montane Gebiete.

Biologie und Ökologie

Die Art ist hinsichtlich ihres Lebensraumes wenig spezialisiert. Als „Generalist“ trifft man sie in nicht zu feuchten Wäldern ebenso an wie in offenen Flächen aller Art, seien es Wiesen, Waldränder, aber auch Parks und Gärten. Sie kann in allen geeigneten Lebensräumen sehr zahlreich vorkommen und ist somit aus naturschutzfachlicher Sicht als „ungefährdet“ einzustufen.

Das Netz der Gemeinen Baldachinspinne wird meist niedrig über dem Boden, in Gräsern, Stauden und Sträuchern angelegt. Es besteht wie bei den meisten Arten der Familie aus einem nach unten gespannten horizontalen Netzteppich, über dem ein ca. 20 cm hohes Geflecht aus sehr lockeren „Stolperfäden“ angelegt ist. Die Spinne sitzt fast immer in Rückenlage an der Unterseite des Netzteppichs. Die Beutetiere,  meist kleinere Insekten wie Mücken, winzige Fliegen oder Käfer, stossen gegen die Stolperfäden und fallen dann auf den Netzteppich, wo sie von der Spinne erbeutet werden.

Geschlechtsreife Tiere der Gemeinen Baldachspinne treten von August bis Oktober auf. Paarungen finden in Mitteleuropa vor allem im September statt. Die Männchen halten sich zu dieser Zeit ständig im Netz der Weibchen auf. Zur Kopulation hängt das Männchen ebenfalls in Rückenlage vor dem Weibchen und führt abwechselnd seine Taster (Pedipalpen) in die Geschlechtsöffnung (Epigyne) des Weibchens ein. Die Jungtiere überwintern im Eikokon.

Linyphia triangularis ist prädestiniert als Spinne des Jahres: sie ist nicht nur der häufigste Vertreter dieser prominenten Spinnenfamilie mit wunderbaren, leicht sichtbaren Deckennetzen, sie zeigt auch interessante biologische Aspekte: Die Weibchen locken mit Sex-Pheromonen die Männchen zur Paarung in ihr Netz und die Männchen zeigen ein als „mate guarding“ bezeichnetes Verhalten. Sie bleiben nach der Paarung noch einige Zeit beim Weibchen und bewachen es vor weiteren Männchen. Sie versuchen zu verhindern, dass es zu weiteren Paarungen mit anderen Männchen kommt und sicherzustellen, dass die eigenen Gene an den Nachwuchs weitergegeben werden.

Auch in diesem Jahr ist der Herbst die geeignete Jahreszeit, der Spinne des Jahres zu begegnen. Die Netze kann man zuerst entdecken und dann lohnt es sich auf jeden Fall, einen genaueren Blick hineinzuwerfen!

Text: Christoph Hörweg