Spinne des Jahres 2000
Die Wasserspinne Argyroneta aquatica (Clerck, 1757)
Alle Spinnen besiedeln Lebensräume auf dem Land. Nur eine Art hat sich unter 48.000 Spinnenarten weltweit auf das Leben unter Wasser spezialisiert: die Wasserspinne, Argyroneta aquatica. Die Art wurde aufgrund ihrer besonderen Lebensweise bereits 1757 vom schwedischen Natur- und Spinnenforscher Carolus Clerck beschrieben. Argyroneta verbringt fast ihr gesamtes Leben unter Wasser in einer mit Luft gefüllten Taucherglocke: dort wohnt und frisst sie, paart sich und legt ihre Eier ab.
Die Wasserspinne kommt von den Britischen Inseln im Westen bis nach Japan im Osten vor. Sie bewohnt langsam fliessende oder stehende Gewässer. Entdecken kann man sie vom Ufer aus, wenn man nach ihrer silbrig-glänzenden Taucherglocke Ausschau hält. Meist muss man dann nur wenige Minuten am Ufer warten, bis die dunkelbraun bis schwarz gefärbte Spinne zum Luftholen an die Wasseroberfläche kommt. Wenn man eine Spinne entdeckt, sollte man die Spinne jedoch nicht aus dem Wasser nehmen. Zum einen gebührt gefährdeten Tieren ein entsprechender Schutz. Zum anderen soll der Biss der Spinne eine deutlich spürbare, aber im wesentlichen ungefährliche Wirkung zeigen. Wie bei vielen anderen Wildtieren gilt also der Grundsatz: Beobachten ja, Anfassen nein!
Die Wasserspinne gilt als bedrohte Tierart und wird auf der Roten Liste in Deutschland als "stark gefährdet" geführt. Deshalb und wegen ihrer einzigartigen Lebensweise wurde sie als Wappentier für die Arachnologische Gesellschaft und als erste Spinne des Jahres ausgewählt.
Text: Peter Jäger (2000)
Bilder und Videos: Hubert Höfer (2020)
Video Glockenbau der Wasserspinne auf YouTube (7 min.)
Wie lebt die Wasserspinne?
In den Randzonen sauberer Gewässer baut die Wasserspinne zunächst eine Taucherglocke. Diese wird ihr im späteren Leben als Esszimmer, Schlafraum, Hochzeitskammer und Kinderstube dienen. Für die Anfertigung webt sie an Stellen mit dichtem Bewuchs an Wasserpflanzen zunächst den oberen Teil der Glocke und füllt diesen mit Luft. Dazu taucht sie immer wieder auf, um Luft von der Wasseroberfläche zu holen. Dort streckt sie ihren Hinterleib und die hinteren Beine aus dem Wasser und taucht ruckartig wieder unter. Auf diese Weise reisst sie etwas Luft mit unter die Oberfläche. Die Luft wird durch spezielle Haare an den Beinen und am Hinterleib festgehalten. Danach hangelt sie sich an einem Faden wieder hinunter zu ihrem Gespinst. An ihrer Baustelle angekommen entlässt sie die Luft in den Seidenbau. Wenn die Glocke fertig ist, werden einige Signalfäden vom Unterschlupf ausgehend in die benachbarten Pflanzen gesponnen. Sobald eine Wasserassel oder ein Flohkrebs einen Faden berührt, eilt die Spinne herbei und zerrt ihre Beute in die Glocke, um sie dort zu verspeisen. Manchmal benutzen Wasserspinnen leere Schneckengehäuse als Überwinterungsplatz. Es gibt sogar Hinweise, dass solche Fremdbehausungen als Wohnglocke bzw. als Ort für den Kokonbau benutzt werden.
Die Wasserspinne ist eine der wenigen Arten, bei denen die Männchen mit 10-15 mm größer werden als die Weibchen (8-9 mm). Übrigens ist auch bei der Wasserspinne - wie bei vielen anderen Spinnen - das Bild des männermordenden Weibchens völlig fehl am Platz: im Gegensatz zur landläufigen Meinung trennen sich beide Partner nach dem Geschlechtsakt friedlich bzw. wohnen einen Zeit lang zusammen in der Taucherglocke. Das Weibchen kümmert sich nach der Eiablage um den Nachwuchs, so daß weitere Generationen der faszinierenden Wasserspinnen in unseren Gewässern leben werden.
Autor: Peter Jäger (2000)
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