ARACHNOLOGISCHE GESELLSCHAFT

"BANANENSPINNEN"

Immer wieder sorgen Medienberichte über Funde von exotischen Spinnen in Bananen in Deutschland für Aufregung. Leider ist nicht die Tatsache, dass es sich um seltene Funde besonders großer und schöner Spinnen handelt, der Grund für die Aufmerksamkeit, sondern vielmehr der Glaube, dass es sich bei in Bananen gefundenen Spinnen um "die gefährlichsten Spinnen der Welt“ handelt.

In den Medien erscheinen Meldungen wie „Spinnenalarm! Supermarkt geräumt!“ oder „Supermarkt nach Spinnenbiss evakuiert“. Meist fällt der Begriff „Bananenspinne“ oder „Brasilianische Wanderspinne“ mit dem Hinweis, dass diese Spinne hochgiftig und für Menschen lebensgefährlich sei. Häufig wird noch berichtet, dass die Spinne zur näheren Bestimmung an Spezialisten übergeben wurde. Leider hört man danach nur selten, ob es sich denn tatsächlich um die vermeintliche Spinnenart gehandelt hat.

Aus unserer Sicht gibt es allerdings keinen Grund zu Beunruhigung oder gar Panik, wenn in Supermärkten Spinnen beobachtet werden oder vermeintliche Spinneneier an Bananen gefunden werden. Die meisten zwischen Bananen bzw. in Super-oder Großmärkten gefundenen Spinnen erweisen sich bei Überprüfung als weniger gefährliche tropische oder sogar einheimische Arten.

Durch die Verwendung von Insektiziden, gründliche Reinigung und durchgängige Kühlketten gelangen nur noch sehr wenige Spinnen aus den tropischen Herkunftsländern lebend zu uns. Findet sich doch einmal ein lebendes Exemplar, so ist die Wahrscheinlichkeit dass es sich dabei um die giftigste Art Phoneutria nigriventer handelt, sehr gering, da die meisten Bananen nicht aus deren Herkunftsland Brasilien kommen. Die Wahrscheinlichkeit eines Bisses mit gesundheitlichen Folgen ist noch geringer. Kommen die Bananen aus der EU, Afrika oder von den Karibischen Inseln, kann man sogar völlig ausschließen, dass es sich um eine Art der Gattung Phoneutria handelt. Kommen die Bananen aus Costa Rica, Kolumbien oder Ekuador handelt es sich um andere, vergleichbar große, aber weniger gefährliche Phoneutria boliviensis oder harmlose Jagdspinnenarten z. B. der Gattung Cupiennius oder Heteropoda

Texte: Claudia Wesseloh & Hubert Höfer

Mehr Informationen zu Phoneutria und anderen großen tropischen Jagdspinnen finden sie auf unseren (englischen) Seiten www.wandering-spiders.net.

Im weiteren Sinn versteht man in Deutschland unter „Bananenspinnen“ alle Spinnen(arten), die an Bananenstauden oder zwischen Bananenfrüchten gefunden werden. Es ist also kein Name für eine bestimmte Art und auch kein wissenschaftlich begründeter Begriff. Dennoch wird der Begriff in der Presse fast immer mit nur einer Art in Verbindung gebracht, nämlich mit der „Brasilianischen Wanderspinne“ Phoneutria nigriventer. Tatsächlich gibt es aber außer ihr noch viele Spinnenarten, die in Bananenpflanzungen leben und somit die Chance haben mit importierten Früchten als „Bananenspinnen“ zu uns zu gelangen.

Phoneutria nigriventer ist eine Jagdspinnenart, die eine Körperlänge (ohne Beine) von bis zu 5 cm erreichen kann. Sie kommt in Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay vor und wird der Familie der Kammspinnen (Ctenidae) zugeordnet. Phoneutria nigriventer hat wie die meisten Jagdspinnen lange, kräftige Beine und kann sich sehr schnell bewegen. Das Besondere an dieser Art ist aber, dass sie eine der wenigen Spinnenarten ist, deren Gift für den Menschen lebensgefährlich werden kann. Sie ist außerdem für ihre "Reizbarkeit", eigentlich ihr Abwehrverhalten, bekannt. Bei Störung reißt sie nämlich die Vorderbeine hoch und zeigt bei angehobenem Vorderkörper drohend die rötlich behaarten Giftklauen (Cheliceren). Die Kombination von Größe, Schnelligkeit, Giftigkeit und Reizbarkeit kann den Umgang mit dieser Spinne sehr unangenehm werden lassen. Deshalb ist sie durchaus mit Vorsicht zu genießen. Im Osten Brasiliens ist die Art recht häufig und wird auch regelmäßig in Häusern gefunden. Jedoch kommt es auch dort nur selten zu Bissen und nur wenige Bissunfälle verlaufen wirklich schwer oder gar tödlich. Das liegt daran, dass die Spinnen bei einem Abwehrbiss meist nur wenig Gift abgeben oder sogar nur einen "Trockenbiss" vollziehen, bei dem gar kein Gift abgegeben wird.

Grundsätzlich ist es für Laien nicht einfach eine Spinne bis zur Art zu bestimmen. Dies sollte man daher tatsächlich den Experten - Arachnologen - überlassen. Denn die acht Phoneutria-Arten P. bahiensisP. boliviensisP. eickstedtaeP. feraP. keyserlingiP. nigriventerP. pertyi und P. reidyi sehen sich äußerlich (im Habitus) sehr ähnlich. Sicher zu unterscheiden sind nur ausgewachsene Tiere an ihren Geschlechtsorganen – dem Taster (Pedipalpus) der Männchen und der Genitalplatte (Epigyne) der Weibchen (zu sehen bei www.wandering-spiders.net).

Hilfreich ist auf jeden Fall die Kenntnis der Herkunft der Spinne bzw. der Bananen. Die verschiedenen Arten kommen nämlich nur in bestimmten Gebieten Mittel- und Südamerikas vor. Kommen die Bananen aus Afrika, der EU selbst oder von den Karibischen Inseln, kann man Phoneutria-Arten völlig ausschließen. Wenn die Bananen aus Costa Rica, Kolumbien oder Ekuador stammen, könnte es sich um eine Phoneutria-Art handeln, allerdings nicht um die gefährlichste Art Phoneutria nigriventer, die nur in Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay vorkommt.

Die „Brasilianische Wanderspinne“ Phoneutria nigriventer kommt ausschließlich in Brasilien, Uruguay, Paraguay und Argentinien natürlich vor. Von diesen Ländern exportiert aber lediglich Brasilien Bananen in die EU. Laut der Europäischen Kommission produzierte Brasilien mit 41.000 Tonnen aber nur rund 0,8% der 2012 insgesamt für die EU produzierten über 5 Millionen Tonnen Bananen und war deshalb 2012 lediglich auf Platz 13 der Länder, die Bananen in die EU lieferten. Dagegen kamen aus Ekuador, Kolumbien und Costa Rica zusammen 62% dieser enormen Menge (Ekuador: 1.307.226t; Kolumbien 1.134.371t; Costa Rica: 770.231t). In den Jahren davor waren die Verhältnisse sehr ähnlich. Damit ist es sehr unwahrscheinlich, dass die giftigste der Phoneutria-Arten P. nigriventer tatsächlich bei uns landet.

In den Ländern, aus denen der Großteil der Bananen in die EU kommt, nämlich Costa Rica, Kolumbien und Ekuador, gibt es andere Phoneutria-Arten. In Costa Rica kommt nur eine Art vor, nämlich Phoneutria boliviensis. Deren Gift wirkt bei weitem nicht so stark auf Menschen, wie das von Phoneutria nigriventer. In Kolumbien und Ekuador gibt es neben Phoneutria boliviensis auch noch Phoneutria fera und Phoneutria reidyi. Beides sind jedoch amazonische Arten, die nur selten zwischen Bananen gefunden werden. Am wahrscheinlichsten bleibt also ein Fund von Phoneutria boliviensis, die je nach Herkunftsland auch eine stattliche Körperlänge von fast 4 cm erreichen können.

In Mittelamerika kommen noch andere große Spinnen der Gattung Cupiennius (Ctenidae) vor - vor allem in Costa Rica und Panama. Diese werden häufig mit Phoneutria verwechselt, weil sie ihnen sehr ähnlich sehen und ähnlich groß werden können. Diese Spinnen sind aber harmlos, die Wirkung ihres Bisses ist mit einem Wespenstich vergleichbar. Ähnliches gilt auch für die Riesenkrabbenspinne Heteropoda venatoria (Familie Sparassidae), eine ursprünglich aus Asien stammende Spinnenart, die inzwischen weltweit in den Tropen zu finden ist. Aufgrund ihrer braunen Färbung wird auch sie häufig mit Phoneutria verwechselt, obwohl sie ein ganz andere Beinstellung zeigt.

Ein Biss von Phoneutria nigriventer ist sehr schmerzhaft und führt, je nach abgegebener Giftmenge, zu Übelkeit, Schwindel, Erbrechen sowie Schweißausbrüchen, Schwellungen und Reizung der Lymphbahnen; bei einem mittelschweren Verlauf außerdem zu Bluthochdruck und Herzrasen; bei einem schweren Verlauf auch noch zu Muskelkrämpfen, Durchblutungsstörungen, u. U. zu einem Lungenödem und einem Schock-Zustand, der zum Tod führen kann. Eine Behandlung mit Antiserum (Gegengift) ist in einem solch schweren Fall unerlässlich. Bei Männern kann es im Verlauf der Vergiftung zu einer schmerzhaften Dauererektion (Priapismus) kommen.

Aufgrund dieser Symptome gilt Phoneutria nigriventer als für den Menschen sehr gefährlich, obwohl laut einer brasilianischen Studie aus dem Jahre 2000 weniger als 5% der 422 verzeichneten Bissunfälle in einer schweren Vergiftung mit Antiserum-Gabe endeten. Todesfälle sind auch in Brasilien die Ausnahme (2 laut Studie), sofern nach dem Biss ärztliche Behandlung erfolgt und der Gebissene nicht zu einer Risikogruppe gehört. Dies sind besonders Kleinkinder, ältere und bereits geschwächte Menschen. Ein Antiserum wird bereits seit Jahren vom Instituto Butantan in São Paulo hergestellt. Wegen des Priapismus werden auch Untersuchungen zur Verwendung von Phoneutria-Gift als Potenzmittel durchgeführt.

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