ARACHNOLOGISCHE GESELLSCHAFT

Spinne des Jahres 2001

Die Wespenspinne Argiope bruennichi (Scopoli, 1772)

Die Wespenspinne ist zweifellos eine der attraktivsten einheimischen Spinnen. Mit bis zu 2 cm Körperlänge der Weibchen - die Männchen werden nur ca. 5 mm gross! - und den wunderbaren Radnetzen in der Vegetation gehören sie auch zu den wenigen der über 1.000 einheimischen Spinnen, welche mit bloßem Auge in der Natur wahrgenommen werden können.

Recherche und Texte: Ambros Hänggi, Peter Jäger, Martin Kreuels; Fotos: H. Höfer

Nachweise in Deutschland

Die Wespenspinne war früher bei uns relativ selten. Seit ca. 50 Jahren wird sie über ganz Europa - von Südwesten her kommend - immer häufiger festgestellt. Die Ursache für diese Ausbreitung war lange nicht klar, die Voraussetzungen dafür sind aber inzwischen gut untersucht. Sie liegen in der Biologie der Art und der genetischen Variation.

Die Wespenspinne liebt wärmebegünstigte Standorte mit einer strukturreichen, kurzen Vegetationsschicht. Im Gegensatz zu der sehr häufigen Kreuzspinne, die ihre Netze gerne auch in Fensternischen baut, errichtet die Wespenspinne ihre Radnetze meist in Bodennähe. Argiope besitzt ihr Optimum auf ungestörten ganzjährig belassenen Wiesen, auf denen ihre Netze nicht durch Mahd oder Schafbeweidung zerstört wird. Die Spinne kann ihr Netz zwar jederzeit erneuern (Netzbau findet meist in den Dämmerungsstunden statt), wandert aber aus dem betreffenden Lebensraum ab oder stirbt, wenn dies zu häufig eintritt. Das Netz der Wespenspinne unterscheidet sich vom Netz der Kreuzspinne vor allem dadurch, dass hier oberhalb und unterhalb der Netzmitte (Nabe) ein dichtes Zickzackgeflecht eingebaut wird. Mehrere Hypothesen versuchten die Funktion des Musters zu erklären.

  1. Das Muster dient dem Netz als "Stabiliment", daß das Netz beim Aufprall großer Insekten, vor der Zerstörung schützen soll;
  2. die Wespenspinne ist durch ihrer Hinterleibszeichnung, die dem dahinterliegenden Zickzackmuster strukturell ähnelt, vor Räubern (z.B. Vögel) getarnt und
  3. das Netzmuster soll für Insekten eine attraktive Wirkung im ultravioletten Bereich haben (Stichwort: Landebahn).

In einem optimalen Lebensraum (z.B. Halbtrockenrasen) kommen die Wespenspinnen in grosser Dichte vor, auch am Rande ihrer Verbreitung. Eine Untersuchung in Deutschland (nahe Jena) hat ergeben, dass alleine die Wespenspinnen pro Hektare Wiese rund 4,5 Mio Arthropoden pro Jahr vertilgen, was rund 80 kg Frischmasse entspricht. Hauptbeutetiere sind dabei Heuschrecken und Hautflügler. Wespenspinnen und Spinnen allgemein haben mit diesen enormen Vertilgungsraten in einem natürlichen System eine überaus grosse Bedeutung bei der Limitierung der Populationsdichten von Insekten.

Wie alle anderen Spinnen legen auch die Wespenspinnen ihre Eier in ein seidenes Paket, den sogenannten Kokon. Eine Wespenspinne kann mehrere Kokons produzieren, welche sie dann im Spätsommer in der Vegetation in der Nähe ihres Netzes aufhängt und noch einige Zeit bewacht. Später wird der gut geschützte und getarnte Kokon sich selbst überlassen. Die Jungspinnen schlüpfen noch im Herbst aus den Eiern, verlassen aber erst im nächsten Frühjahr den Kokon, wenn das Muttertier schon lange gestorben ist. Bald darauf stellen sie perfekte Radnetze in Miniaturausführung her. Dieses Verhalten ist im genetischen Programm der kleinen Spinnen festgelegt.

Wird die Schwarze Witwe als männermordenes Weib dargestellt, so gilt dieses Attribut, doch eigentlich der Wespenspinne. Das Männchen, das; zur Paarung das Netz des Weibchens aufsucht, versucht durch Zupfsignale am Netz, das Weibchen von seiner Absicht zu überzeugen. Ist das Weibchen paarungsbereit, verhält es sich passiv und die Paarung kann erfolgen. Wenige Sekunden später erwacht das Weibchen aus seiner Passivität und greift das Männchen an, welches kurze Zeit später verzehrt wird. Nur selten gelingt es dem viel kleineren Männchen zu entkommen. Auch hier gibt es mehrere Hypothesen, die versuchen das Verhalten zu erklären: a) das Männchen dient dem Weibchen als Nahrung und unterstützt somit die Eientwicklung seiner eigenen Nachkommen und b) durch den Tod des Männchens verhindert das Weibchen, daß sich ein Männchen mit mehreren Weibchen paart und somit die genetische Vielfalt auf einer Wiese verringert. Gerade der letzte Punkt ist eine wichtige evolutionäre Strategie für eine Anpassung an neue (klimatische) Bedingungen.

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