ARACHNOLOGISCHE GESELLSCHAFT

ÖKOLOGIE

Spinnen sind Räuber, die in allen terrestrischen Ökosystemen in hohen Artenzahlen und großer Abundanz zu finden sind. Sie leben in Wiesen, Wäldern, im Gebirge und in Wüsten, in Höhlen und auf Gletschern, in der Gezeitenzone und mit einer Art (der Wasserspinne Argyroneta aquatica) sogar im Süßwasser. Die meisten Arten sind Generalisten, die vor allem Insekten, aber auch andere Arthropoden, Spinnen eingeschlossen, erbeuten. Sie sind strikter fleischfressend als andere räuberisch lebende Wirbellose wie z.B. Laufkäfer und Hundertfüßer. Spinnen werden als eine Modellgruppe für terrestrische Prädatoren gesehen und untersucht. In Untersuchungen von Nahrungsnetzen und Energieflüssen in Gemeinschaften werden in der Regel die Spinnen einbezogen.

  • Mit Ausnahme weniger Arten besitzen alle Spinnen Gift (vorwiegend Neurotoxine), das sie dazu verwenden ihre Beutetiere zu lähmen oder zu töten oder sich gegen Feinde zu verteidigen.
  • Die Nahrung wird extraintestinal - außerhalb des Körpers verdaut und als Flüssigkeit aufgenommen. Dadurch fallen wenig unverdaubare Nahrungsbestandteile an, somit werden nur wenige Exkremente abgesetzt. Die Exkretion, also die Stickstoffentsorgung, geschieht häufig über die Einlagerung von Guanin in den Körper, die beispielsweise bei der einheimischen Kreuzspinne als weiße Zeichnung auf dem Hinterkörper sichtbar wird.
  • Alle Spinnen stellen Spinnseide aus Protein her. Mit unterschiedlichen Fadentypen werden die Eigelege geschützt, es werden Schlupfwinkel gebaut, Sicherungsfäden und Kommunikationsfäden gelegt und viele (aber nicht alle) Spinnen stellen Fanggewebe her. Viele Arten, die Fangnetze bauen, nützen darüber hinaus ihre Spinnfähigkeit auch um wehrhafte Beute einzuspinnen.
  • Es ist umstritten, ob Spinnen wirklich niedrigere Stoffwechselraten aufweisen als andere Wirbellose, sicher ist aber, dass sie unter Hungerbedingungen ihre Stoffwechselrate stark herabsetzen und auf diese Weise recht lange Perioden von Nahrungsknappheit gut überstehen.
  • Die Kombination der Fähigkeit zum Hungern mit der Fähigkeit sich durch Fadenflug zu verbreiten und durch Fangnetze sehr effektiv Beute zu machen, z.B. verdriftete Insekten zu fangen, machen Spinnen zu erfolgreichen Primärbesiedlern. Deshalb treten Spinnen praktisch als erste Tiergruppe nach Überschwemmungen oder Vulkanausbrüchen oder auf Inseln auf und überleben dort, auch wenn noch keine eigenständige Vegetation und Fauna vorhanden ist.

Nach einer neuesten Schätzung sollen Spinnen jährlich zwischen 400 und 800 Millionen Tonnen an Beute verzehren. Zum Vergleich — der Fleischverbrauch der Menschen liegt bei rund 400 Millionen Tonnen pro Jahr. Das haben die beiden Wissenschaftler Martin Nyffeler (Universität Basel) und Klaus Birkhofer (Universität Gießen) berechnet und Anfang des Jahres 2017 in der Zeitschrift Science of Nature veröffentlicht.

Die Größenordnung dieser Schätzungen ist überraschend und wirft ein neues Licht auf die Bedeutung der Spinnen in Ökosystemen. Spinnen sind die am weitesten verbreitete und die artenreichste Gruppe von Räubern auf der Erde. In vielen Landlebensräumen leben ca. 150 Spinnen auf einem Quadratmeter, im Extremfall können es bis zu 1000 sein. Ihr Erfolg beruht auf einem hoch entwickelten sensorischen System, mit dem sie ihre Beute und Umgebung besonders gut wahrnehmen können. Spinnen ernähren sich hauptsächlich von wirbellosen Tieren, überwiegend Insekten, aber auch anderen Spinnen, nur wenige und selten auch von Würmern, Schnecken oder kleinen Wirbeltieren. Die im Tierreich einzigartige Fähigkeit Fangnetze zu weben und der Einsatz von Gift macht Spinnen zu besonders effektiven Jägern.

Woher weiß man wie viele Spinnen auf der Welt leben?

Das kann man natürlich nur schätzen. Für ihre Hochrechnungen konnten die Wissenschaftler dabei auf 65 wissenschaftliche Arbeiten zurückgreifen. Daraus wurde für jedes der großen Ökosysteme der Welt - Tropische und Gemäßigte Wälder, Tropische und Gemäßigte Grasländer und Savannen, Wüsten, die Arktische Tundra und für die landwirtschaftlich genutzten Flächen berechnet wie viele Spinnen dort leben. So wurde die weltweite Biomasse der Spinnen auf ca. 25 Millionen Tonnen Lebendgewicht geschätzt.

Wie hat man das Gewicht der Beutetiere ermittelt?

Auch die von den Spinnen der Welt insgesamt konsumierte Beutemenge wurde durch Hochrechnungen ermittelt und zwar mit zwei verschiedenen Methoden. Die erste Methode verwendet das Gewicht der Beute pro Gramm Körpergewicht einer Spinne, das pro Tag erbeutet und gefressen wird. Auf der Grundlage von wissenschaftlichen Publikationen und Erfahrungen wurde hier eine durchschnittliche Rate von 0,1 mg Beute pro 1 mg Spinne angenommen, also 10 % des Eigengewichts einer Spinne! Dann wurde bestimmt, an wie vielen Tage Spinnen in den verschiedenen Lebensräumen aktiv sind und fressen können. Im Gegensatz zu unseren Breiten sind Spinnen in den Tropen das ganze Jahr über aktiv. Aber auch dort können sie an etwa einem Drittel der Tage im Jahr wegen Regen nicht jagen.Das Ergebnis der Schätzung mit der ersten Methode sind 460-700 Millionen Tonnen verzehrte Beute.

Die zweite Methode benutzte Daten aus 18 Veröffentlichungen zum Jahresfang von Spinnen in verschiedenen  Lebensraumtypen. Wichtige Annahmen beziehen sich dabei auf unterschiedliche Fänge von Netz- und Jagdspinnen und Unterschiede zwischen bewirtschafteten und nicht bewirtschafteten Landflächen.Mit dieser Methode wurde die Beutemenge der Spinnen auf jährlich 400-800 Millionen Tonnen geschätzt. Die Schätzungen mit den beiden Methoden liegen also nicht weit auseinander.

Es gibt also ca. 25 Millionen Tonnen an Spinnen auf der Erde, die rund 400-800 Millionen Tonnen tierische Nahrung im Jahr verdauen. Zum Vergleich: Die Wale fressen 280-500 Millionen Tonnen Fleisch pro Jahr und wir Menschen konsumieren ebenfalls ca. 400 Millionen Tonnen Fleisch und Fisch.

Ökologische Bedeutung der Spinnen

Besondere Bedeutung kommt den Spinnen in den Wäldern und Graslandschaften der Erde zu, die zusammen mit den Savannen zwei Drittel der Landmasse bedecken. In diesen beiden Ökosystemen werden 95 % der gesamten Beute konsumiert. Spinnen sind hier wichtige Kontrolleure des ökologischen Gleichgewichtes, als Jäger vieler Schädlinge, aber auch von Nutztieren wie Bienen. Die in landwirtschaftlich genutzten Gebieten lebenden Spinnen erbeuten nur 2 % des Weltkonsums, was ein starker Hinweis darauf ist, dass Spinnen in diesen stark gestörten Lebensräumen nur begrenzte Überlebenschancen und damit auch begrenzten Einfluss haben. 

Text von Kerstin Syré und Hubert Höfer, Daten aus:

Nyffeler, M. & Birkhofer, K. (2017): An estimated 400–800 million tons of prey are annually killed by the global spider community. – The Science of Nature 104: 1-30, DOI 10.1007/s00114-017-1440-1.

  • Agnarsson, I., Coddington, J.A. & Kuntner, M. (2013) Progress in the study of spider diversity and evolution. In: Penney D (Hrsg.) Spider Research in the 21st Century. Siri Scientific Press, Manchester, 58–111.
  • Birkhofer, K., Entling, M.H. & Lubin, Y.D. (2013) Agroecology: trait composition, spatial relationships, trophic interactions. In: Penney D (Hrsg.) Spider Research in the 21st Century. Siri Scientific Press, Manchester, 200–229.
  • Birkhofer, K., Scheu, S. & Wise, D.H. (2007) Small-scale spatial pattern of web-building spiders (Araneae) in Alfalfa: Relationship to disturbance from cutting, prey availability, and intraguild interactions. - Environmental Entomology 36: 801–810.
  • Birkhofer, K. & Wolters, V. (2012) The global relationship between climate, net primary production and the diet of spiders. Global Ecology and Biogeography 21, 100–108.
  • Cardoso, P., Pekár, S., Jocqué, R. & Coddington, J.A. (2011) Global patterns of guild composition and functional diversity of spiders. Plos One 6, 1–10.
  • Colwell, R.K. & Coddington, J.A. (1994) Estimating terrestrial biodiversity through extrapolation. - Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Series B 345: 101–118.
  • Hänggi, A., Stöckli, E. & Nentwig, W. (1995) Lebensräume Mitteleuropäischer Spinnen. Charakterisierung der Lebensräume der häufigsten Spinnenarten Mitteleuropas und der mit diesen vergesellschafteten Arten. - Miscellanea Faunistica Helvetiae 4: 1–460.
  • Entling, W., Schmidt, M.H., Bacher, S., Brandl, R. & Nentwig, W. (2007) Niche properties of Central European spiders: Shading, moisture and the evolution of the habitat niche. Global Ecology and Biogeography 16, 440–448.
  • Entling, W., Schmidt-Entling, M.H., Bacher, S., Brandl, R. & Nentwig, W. (2010) Body size-climate relationships of European spiders. Journal of Biogeography 37, 477–485.
  • Nentwig, W. (1987) Ecophysiology of spiders. Springer Verlag, Heidelberg. 379 S.
  • Nentwig, W. (1982) Epigeic spiders their potential prey and competitors: relationship between size and frequency. - Oecologia (Berlin) 55: 130–136.
  • Nentwig, W. (1986) Non-web building spiders: prey specialists or generalists. - Oecologia (Berlin) 69: 571–576 Nyffeler M & Birkhofer K 2017 An estimated 400–800 million tons of prey are annually killed by the global spider community. - The Science of Nature 104: 1–30.
  • Moya-Larano, J., Foellmer, M., Pekar, S., Arnedo, M., Bilde, T. & Lubin, Y. (2013) Evolutionary ecology: linking traits, selective pressures and ecological factors. In: D. Penney (Ed.), Spider Research in the 21st Century: trends and perspectives. Siri Scientific, Manchester, S. 112–153.
  • Nyffeler, M. & Birkhofer, K. (2017) An estimated 400–800 million tons of prey are annually killed by the global spider community. - The Science of Nature 104: 1–30.
  • Pekár, S., Coddington, J.A. & Blackledge, T.A. (2011) Evolution of stenophagy in spiders (Araneae): evidence based on the comparative analysis of spider diets. Evolution 66, 776–806.
  • Pekár, S. & Toft, S. (2015) Trophic specialisation in a predatory group: The case of prey-specialised spiders (Araneae). Biological Reviews 90, 744–761.
  • Sereda, E., Blick, T., Dorow, W.H.O., Wolters, V. & Birkhofer, K. (2014) Assessing spider diversity on the forest floor: expert knowledge beats systematic design. - Journal of Arachnology 42: 44–51.
  • Scharff, N., Coddington, J.A., Griswold, C.E., Hormiga, G. & Bjorn, P.D. (2003) When to quit? Estimating spider species richness in a northern European deciduous forest. - Journal of Arachnology 31: 246–273.
  • Wise, D.H. (1993): Spiders in ecological webs. Cambridge University Press, Cambridge. 328 S.