Spinne des Jahres 2013
Die Gemeine Tapezierspinne Atypus affinis Eichwald, 1830
gehört zur Familie der Tapezierspinnen (Atypidae). Diese sind in Mitteleuropa die einzigen Vertreter der Vogelspinnenartigen (Mygalomorphae), charakterisiert durch mächtige, waagrecht nach vorne gerichtete Grundglieder der Kieferklauen mit parallel zueinander eingeklappten Giftklauen. Man nennt dies eine orthognathe Kieferstellung.
Text: Christoph Hörweg
Beschreibung
Die Körperlänge (ohne Beine und die Cheliceren / Kieferklauen) der Männchen beträgt 7-10 mm, die der Weibchen 10-15 mm. Die Männchen sind meist tiefschwarz, Weibchen sind dunkelbraun und Jungtiere oft auffällig hell gefärbt. Die Brustplatte (Sternum) kann eindeutig heller sein. Die langen hinteren Spinnwarzen sind dreigliedrig. Dieses Merkmal dient auch zur Unterscheidung von den anderen beiden Arten. Die Pechschwarze Tapezierspinne (Atypus piceus) weist am Endglied der hinteren Spinnwarzen einen unpigmentierten Halbring auf (die dadurch fast viergliedrig erscheinen) und die Mauer-Tapezierspinne (Atypus muralis) hat eindeutig viergliedrige Spinnwarzen. Die gemeinen Tapezierspinnen haben am äußeren Ende des Kniegelenks am 1. Beinpaar (apikal-außen an der Patella I) eine pigmentfreie Stelle.
Arten und Verbreitung
Weltweit werden zur Familie Atypidae drei Gattungen mit insgesamt 49 Arten gestellt. Die drei (mittel-)europäischen Arten sind (von der größten bis zur kleinsten) die Mauer-Tapezierspinne Atypus muralis, die Pechschwarze Tapezierspinne Atypus piceus und die Gemeine Tapezierspinne Atypus affinis. Die Häufigkeit der drei Arten in einzelnen Ländern ist unterschiedlich: in Deutschland ist die Gemeine Tapezierspinne die häufigste, in Österreich die seltenste der drei Arten. Tapezierspinnen werden in den Roten Listen einzelner Länder bzw. Bundesländer meist als gefährdet bzw. stark gefährdet eingestuft.
Biologie und Ökologie
Tapezierspinnen können als wärmeliebende Arten (xerothermophil) bezeichnet werden, die fast ausschließlich an trockenen und wärmebegünstigten, z.B. stark besonnten Hangstandorten vorkommen. Von Atypus affinis bevorzugte Lebensräume sind lichte Kiefern- oder Eichenwälder im Flachland und in niedrigen Berglagen (bis 600 m ü. NN). Die beiden anderen Arten bevorzugen Heiden oder magere Wiesen, auch in höheren Lagen und stärker kontinentale Klimabedingungen.
Die Tiere leben in Erdröhren von 10-30 cm Länge, die sie selbst graben und innen mit Spinnseide auskleiden – tapezieren. Oberirdisch sind diese Gespinste zu einem ca. 1 cm dicken und 10 cm langen, am Boden anliegenden „Fangschlauch“ verlängert, der mit Erd-, Moos- oder Streupartikeln getarnt wird. Die Spinnen sitzen im Inneren der Röhren und lauern auf Insekten, die über den Fangschlauch laufen. Die Beute wird von unten durch die Schlauchwand hindurch gebissen und hineingezogen; der entstandene Riss wird später wieder verschlossen. Als Nahrung kommen Ameisen, Käfer sowie Tausendfüßer in Frage.
Speziell zur Paarungszeit im Spätherbst (September bis November) kann man die Männchen von Atypus affinis leicht entdecken. Zu dieser Zeit laufen sie auf der Suche nach einer Partnerin am Boden umher und betrillern zunächst deren Fangschlauch. Bei Bereitschaft des Weibchens findet die Paarung dann im unteren Teil des leicht erweiterten Teils der Wohnröhre statt. Hier legt später das Weibchen auch die Eier in einem Kokon ab, der dort aufgehängt wird. Die im Herbst schlüpfenden Jungspinnen bleiben, ohne Nahrung aufzunehmen, während des Winters im mütterlichen Gespinst und verlassen dieses in den ersten wärmeren Frühjahrstagen (Anfang bis Mitte März) um sich am Fadenfloß (per „ballooning“) dann zu verbreiten. Es wurden bis zu 100 Jungspinnen pro Gespinst gefunden.
Im Gegensatz zu den meisten anderen mitteleuropäischen Spinnen können die Tapezierspinnen mit 8-10 Jahren ein hohes Lebensalter erreichen.